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Ogoh-Ogoh und Nyepi, zwei besondere Tage auf Bali

Schon lange, bevor diese zwei Tage im balinesischen Jahr stattfinden, kann man die Balinesen in den einzelnen Dörfern bei der Vorbereitung zu Ogoh-Ogoh beobachten. Irgendwo in jedem Dorf ist ein kleiner Ort, an dem - rudimentär hinter Tüchern verborgen - eine riesengroße, gruselige Figur gebastelt wird. Außerdem unterziehen sich die Menschen besonderen Reinigungsritualen und manchmal kommen dafür ganze Dörfer mit mehreren hundert Personen an den Strand, um sich gemeinsam zeremoniell zu reinigen. Doch was hat das für eine Bedeutung? 


Jedes Jahr im März, in der Nacht vor Neumond, werden die bösen Geister ins Meer getrieben. Zu diesem Zweck werden die Figuren gebastelt und mit einem großen Zeremoniell und lauter Gamelan Musik durch die Straßen getragen. Doch bevor das passiert, werden natürlich erst von einem Priester die Figuren und der Weg zum Meer geweiht. 


Schon um 16:00 Uhr sind wir hier los, um ja einen guten Platz zum Zuschauen zu ergattern, denn wir haben die Zeremonie nicht in Seririt, sondern in Lovina beobachtet, einem kleinerem Nachbarort, der etwas touristischer ist als Seririt. Das ist aber nicht wirklich schwierig, denn ich bin gefühlt der einzige Tourist hier...! 


Tatsächlich fanden wir einen guten Platz für unsere Roller. Ich hatte Sukma, das 8-jährige Nachbarsmädchen vorne auf dem Roller und Sri ihren Sohn Tude hinten drauf. Ich lasse mich an dieser Stelle bewusst nicht über die Sicherheitsmaßnahmen der Balinesen beim Rollerfahren oder den Straßenverkehr im allgemeinen hier aus, denn sonst schreibe ich die nächsten 5 Seiten nur darüber und das wollt ihr an dieser Stelle sicher nicht lesen...! Immerhin hatten wir alle (!) Helme auf - sogar Tude (wie uncool...!).


Wir standen direkt an der Ampel in Lovina (es gibt nur eine!), dem zentralen Punkt für den Event, denn dem Glauben nach versammeln sich die Geister an den Kreuzungspunkten der Straßen. Leider ging es erst gegen 17:30 Uhr los, so dass wir ganz schön lange warten mussten. Den Anfang machte eine kleine Gruppe, angeführt von wunderschönen Frauen in balinesischer Tracht gefolgt von dem ersten Ogoh-Ogoh, das ist nämlich auch die Bezeichnung für die einzelnen Figuren... Die Figuren werden, ähnlich wie ein Bade (siehe meinen letzten Beitrag „Die vielen Facetten Balis“) durch die Straßen getragen, meist von der Stadtjugend und natürlich nur von den jungen Männern! Zwischen den einzelnen Figuren kommt fast immer eine „Band“ mit Gamelanmusik... Es mutet etwas wie unsere Karnevalsumzüge an, hat jedoch wirklich eine ganz andere Bedeutung und ist echt ernst zu nehmen, so verrückt das auch klingen mag...! 


Die zum Teil riesengroßen Figuren - es waren vielleicht 12 Stück - werden dann zum Meer getragen und dort mit großem Getöse und Feuerwerksböllern verbrannt. Ziel ist es ja, die negativen Geister in dieser Nacht zu vertreiben und zwar weg von der Insel, ab ins Meer...


Am Ende des Umzugs sind wir dann wieder auf unsere Roller und wollten die ca. 20 Kilometer ab nach Hause fahren... Doch da ging der Horror erst richtig los, obwohl die Figuren ja schon teilweise echt schaurig aussehen! Nach wenigen Kilometern standen wir nämlich da - mitten in einem immer größer werdenden Pulk an Rollerfahrern, denn das Ogoh-Ogoh des Nachbarortes war noch nicht zu Ende, so dass wir uns hinter die Figurenträger einreihen mussten. Dicht an dicht standen wir da und natürlich alle (!) mit laufendem Motor, denn es ging ja immer mal ein paar Meter vorwärts... Boah, war das widerlich in den ganzen Abgasen und dem Lärm zu stehen und ich hatte ja auch noch dieses Kind bei mir, auf das ich auch noch aufpassen musste. Da war es gleich doppelt wichtig, gut und heil durch diese Geschichte zu kommen. Ich hatte ja wenigstens noch ein Tuch vor der Nase, aber Sukma schnaufte die ganzen Abgase 1:1 ein... Sowas wie „Abgasfilter“ ist hier eher ein Fremdwort... Bestimmt 1,5 Stunden haben wir allein für den Weg nach Hause gebraucht... War die heiße Dusche hinterher schön, bei der wir uns wenigstens äußerlich wieder rein waschen konnten!


Ab Mitternacht geht dann Nyepi los... Nyepi, oder auch der „Silent Day“, ist einer der wichtigsten hinduistischen Feiertage und mit Nyepi beginnt quasi das hinduistische, neue Jahr, das sich nach dem Mond und nicht wie bei uns nach der Sonne richtet. Nyepi bedeutet, dass jeder bei sich zuhause bleiben muss! Denn, die Geister, die ja gegebenenfalls aus dem Meer zurück auf die Insel kommen, sollen glauben, dass die Insel inzwischen verlassen und somit für sie unattraktiv geworden ist. Abgesehen davon, dass die Straßen wirklich menschenleer sind, darf auch kein Feuer entzündet werden, sprich, es darf nicht gekocht oder Licht angemacht werden. Früher wurde anscheinend sogar der Strom seitens der Stadt abgestellt - das passiert heute dann aber doch nicht mehr. Ach, und es es wird nicht gearbeitet, da dieser Tag der Stille der Meditation und Besinnung gewidmet ist, was ja auch mal ganz gut ist, oder? Völlig krass ist jedoch, und das gibt es auch heute noch, dass an Nyepi sogar der Flughafen in Denpasar geschlossen ist, also zu! Da geht kein einziger Flug, weder rein, noch raus! Könnt ihr Euch vorstellen, dass wir mal eben für 24 Stunden den Flughafen München oder Frankfurt oder Berlin dicht machen wegen „Geistern“?! Ich nicht...!!! 


Das besondere an Ogoh-Ogoh und Nyepi ist eigentlich die Stimmung, die entsteht und die nicht zu leugnen ist... Zwischen 22 Uhr und Mitternacht haben die Hunde an Ogoh-Ogoh hier in der Gegend fast hohl gedreht... Da wurde gewinselt und gekläfft, was das Zeug hält, auch, wenn keine Menschenseele zu sehen war! Und gegen kurz nach Mitternacht war dieser Spuk vorbei, denn dann waren ja alle bösen Geister ins Meer getrieben. Was dann entstand war eine fast kristallklare Stille, die während des kompletten Nyepi anhielt. Kaum Hunde bellten, keine Moppeds oder Autos, kaum Stimmen (nur unsere und ab und zu waren die der Nachbarn zu hören), keine Menschen, die zum Strand unterwegs waren, keine, die Vögel vertreibenden, schreienden Reisbauern und vor allem auch keine Muhezin!!! Einfach nur Stille! Da ist nur die Natur zu hören und die Qualität des Lebens nimmt exponentiell zu! Am Morgen von Nyepi war die Luft klar wie ein geschliffener Diamant und damit auch die Sicht unbeschreiblich gut. 


Wir verbrachten den Tag dann hier auf dem Grundstück mit essen, spielen, schwimmen, erzählen und faulenzen. Doch es wird ja hier schon früh dunkel. Um 19 Uhr ist die Dämmerung so gut wie vorbei und die Nacht beginnt. Doch wir durften ja kein Licht anschalten. Was wir allerdings trotzdem gemacht haben, war, eine Kerze zu entzünden. Also hieß es, früh ins Bett gehen. Was ich mir allerdings noch gegönnt habe, war, eine Weile auf dem Rand des Pools zu liegen und in den wolkenlosen Himmel zu blicken... Was sich da für eine unglaubliche Sternenpracht offenbarte... 


Da wurde es ganz still in mir und ich wurde demütig der Schöpfung gegenüber... Was ist unsere Erde nur für ein schöner Ort und was haben wir für ein Glück, unser Leben leben zu dürfen!!! Zumindest, wenn wir dies bewusst tun und nicht im täglichen Hamsterrad gefangen sind. Doch diese Entscheidung obliegt - wie eigentlich alles in unserem Leben - wie immer uns selbst!


Als ich heute früh um kurz vor 6 Uhr erwachte, war es immer noch still. Doch ab Punkt 6 Uhr war es damit vorbei. Die Muhezin fingen das Rufen an, die Moppeds wurden angeschmissen und der tagtägliche Trubel ging wieder los, so als hätte es die Pause nie gegeben und als hätten die Balinesen alle nur darauf gewartet, dass endlich 6 Uhr ist und das Leben seinen normalen Gang gehen kann. Und trotzdem fühlte es sich immer noch anders an - irgendwie klarer, weniger dicht, so wie eine gereinigte Glasoberfläche, die nun bereit ist, wieder neu beschrieben zu werden...


Als ich heute Nachmittag mit Sukma im Pool war, fing es plötzlich in dicken Tropfen zu Regnen an und die gesamte Wasseroberfläche wurde gelb. „Ogoh-Ogoh“ rief Sukma und ehrlich gesagt war auch mir etwas unheimlich ob dieses Phänomens. Doch wahrscheinlich passierten die sehr dicken Wassertropfen auf ihrem Weg zur Erde nur eine Schicht fliegenden Blütenstaubs und haben diesen mitgenommen, der sich dann im Pool gesammelt hat. Dies ist zumindest die Erklärung meines Verstandes... Wir haben uns dann aber doch dafür entschieden, den Pool für den Moment zu verlassen, denn ein bissi gruselig war’s schon...


Ogoh-Ogoh und Nyepi... Wer die Möglichkeit hat, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen... Eine komplette Insel der Stille - zumindest für einen ganzen Tag... Was für ein unbeschreiblicher Zauber...!

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